Prof. Dr. Julia Košinar: Habitus-Reflexion in der Lehrer:innenbildung: Theoretische Begründungen, empirische Fallbeispiele und konzeptuelle Erwägungen
Datum: 10.05.2023, 15.00 bis 16.15 Uhr
Was Sie in diesem Satelliten erwartet:
Seit einigen Jahren wird an verschiedenen Standorten in der 1. Phase der Lehrer:innenausbildung über biografische Reflexion ein Zugang zu den Erfahrungen im Feld der Schule gelegt. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die aus der eigenen Schulzeit in die Ausbildung eingebrachten Prägungen zu stabilen Orientierungen und Überzeugungen führen, die in das berufspraktische Handeln als Praktikant:in, Referendar:in und später als Lehrperson eingehen. Da diese Prägungen, die als Bildungsorientierungen bereits in der Herkunftsfamilie angelegt sind und später in der Schulzeit verfestigt werden, auf einer impliziten, also reflexiv wenig zugänglichen Ebene liegen, sind sie auch schwer zu erfassen oder von aussen zu irritieren. Im Vortrag werden theoretische Konzepte, allen voran, das Lehrerhabituskonzept (Helsper, 2018, 2019, Kramer & Pallesen, 2019) aufgerufen, um an ihnen die Verhaftungen in der Biografie zu begründen. Anhand ausgewählter Fallbeispiele werden die Zusammenhänge zwischen einem Schüler:inhabitus, dem Studierendenhabitus und dem späteren Lehrer:innenhabitus, aber auch deren Eigenlogiken, aufgezeigt. Welche Möglichkeiten die Lehrer:innenausbildung hat, um einen reflexiven Zugang zu den genannten impliziten Orientierungen zu legen, wird im 3. Teil des Vortrags konzeptuell ausgeführt. Dabei wird die bisher übliche biografische Reflexion einem Konzept der Habitus-Reflexion gegenübergestellt, das bestimmte Schritte der Erstellung von biografischem Material und ein spezifisches Analyseverfahren erfordert.
Zur Person:
Prof. Dr. Julia Košinar ist seit Mai 2022 Professorin an der Pädagogischen Hochschule Zürich und leitet dort das Forschungszentrum «Lehrberufe und pädagogische Professionalität». Vorher war sie neun Jahre lang Professorin für Berufspraktische Studien und Professionalisierung an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz und verantwortlich für die konzeptuelle und inhaltliche Ausgestaltung der schulpraktischen Ausbildung für zukünftige Primarlehrpersonen. Dort hat sie erstmals die biografische Reflexion als verbindlichen Studienanteil eingeführt. Studiert hat Julia Kosinar an der Universität Bremen die Fächer Deutsch, Kunst und Erziehungswissenschaften für die Lehrämter Sek 1 und 2. 2007 promovierte sie im Bereich der körperbasierten Lehrerstressprävention. Seit ihrem Studium war sie viele Jahre in der Lehrer:inaus- und Weiterbildung in Österreich und Deutschland als Dozentin und Lehrbeauftragte tätig. 2014 schloss sie ihre Habilitation zum Thema «Professionalisierungsverläufe in der Lehrerbildung – Anforderungsbearbeitung und Kompetenzentwicklung im Referendariat» ab.